Die Kurzgeschichte „Augenblicke“  von Walter Helmut Fritz wurde 1964 geschrieben. Sie handelt von einer Beziehung zwischen Mutter und Tochter.  Die Kurzgeschichte beginnt mit einer Situation im Bad. Die Tochter Elsa steht gerade vor dem Spiegel als ihre Mutter zu ihr ins Badezimmer kommt. Es folgt ein kurzer Dialog und Elsa macht ihrer Mutter Platz und verlässt das Badezimmer. Wenig später verlässt Elsa das Haus, um eine Wohnungsvermittlung aufzusuchen, findet aber keine. Sie kehrt erst in der Nacht wieder zurück, als ihre Mutter schon schläft.

Die Kurzgeschichte ist auktorial geschrieben, es gibt einen allwissenden Erzähler, welcher von der Hauptperson Elsa und ihrem Verhältnis zu ihrer Mutter berichtet.

Analyse der Handlung

Elsa wird als ein normales Mädchen dargestellt. Sie steht im Bad „um sich herzurichten“ (Zeile 3). Daraufhin spricht sie mit ihrer Mutter freundlich im Dialog, sie macht ihr Platz, obwohl der Leser bereits erfahren hatte, die schwer es ihr fällt, in dieser Situation ruhig zu bleiben (Zeile 12-15).  Der Leser erfährt also auch etwas von Elsas Gefühlen und dem Konflikt zu ihrer Mutter. Die Mutter hingegen wird einseitig dargestellt, sie stellt zwar einerseits eine zentrale Person in dieser Kurzgeschichte dar, aber das Hauptaugenmerk liegt auf Elsa. Das Verhältnis beider zueinander ist schwierig, die Mutter liebt ihre Tochter und scheint ihr nicht von der Seite weichen zu wollen und Elsa fühlt sich bedrängt, auch dadurch, „dass ihre Mutter alt und oft krank war“ (Zeile 83-84). Elsa scheint sogar mehr Zuneigung zu fremden Leuten auf der Straße zu haben, als zu ihrer Mutter (Zeile 79-80).

Das Hauptthema ist also der
Ablösungsprozess beider Personen. Elsa ist zwanzig Jahre alt und verdient ihr
eigenes  Geld, ihre Mutter hingegen
langweilt sich und fühlt sich allein, weshalb sie die Nähe ihrer Tochter sucht.

Die Kurzgeschichte spiegelt
einen kurzen Abschnitt in Elsas Leben wieder. Es findet eine Wendung in der
Geschichte statt, als Elsa mehr oder minder unerwartet das mütterliche Haus
verlässt, sie jedoch einsehen muss, dass sie sich nicht auf die Schnelle von
ihrer Mutter trennen kann und schlussendlich wieder zurückkommt. Es wird also
auch dargestellt, wie schwer und auch langwierig dieser Emanzipationsprozess
laufen kann.

Der Auslöser für das kurzfristige Verlassen ihrer Mutter findet sich gleich am Anfang, „als ihre Mutter aus dem Zimmer nebenan zu ihr hereinkam, unter dem Vorwand, sie wolle sich nur die Hände waschen“ (Zeile 4-9) . Elsa reagiert empört, widerstrebend, enttäuscht – das verdeutlicht der Autor in ihrem Ausruf: „Also doch! Wie immer, wie fast immer.“ durch eine Emphase und darauffolgende Ellipse (Zeile 10-11). Die Emphase unterstreicht knapp und treffend nochmals ihre Aussage und sie bestätigt ihre Vermutung damit selber, dass nun wirklich diese Situation eingetroffen ist. Die Ellipse ist leicht ergänzbar, das „fast“ ist nur ein kleiner Einschub. Durch die Wiederholung wird die Aussage nochmals verdeutlicht. Mit einer Parenthese (einer Zwischenschaltung eines Gedankens in einen Satz) wird noch im gleichen Gedankengang gezeigt, welche Gefühle Elsa hat und wie sie die Situation wahrnimmt: „Sie hatte – behext, entsetzt, gepeinigt – darauf gewartet, weil sie sich davor fürchtete.“ Das Asyndeton sind mehrere Begriffe die aneinander gereiht werden. Es hätte weder ein „und“ noch ein „oder“ gepasst, weil sie alles gleichzeitig empfindet und alle Wörter gleich wichtig erscheinen.

Ein zweiter Sinnabschitt beginnt, sobald Elsa das Haus verlassen hat. Es wird gerafft erzählt, was die macht und was sie denkt. Die Sprache der Kurzgeschichte ist gut verständlich und zeitlos. Dadurch können sich die unterschiedlichen Leser leicht hineinversetzen. Die Sätze sind klar strukturiert und beschönigen nichts, was durch den Einsatz von Adjektiven kommen kann, welche nur überwiegend zweckmäßig eingesetzt werden und nicht, um eine Stimmung hervorzurufen. Ein Beispiel dafür ist, was sie in der Stadt erlebt, nachdem sie die Wohnungsvermittlung nicht gefunden hatte: „Sie sah in eine Bar hinein. Sie sah den Menschen nach, die vorbeigingen. Sie trieb mit.“ Die Kurzgeschichte bekommt dadurch eine kühle Atmosphäre.

Der dritte Sinnabschitt beginnt für mich mit dem Blick in die Zukunft (ab Zeile 63). Elsa stellt sich ihr Leben nach Weihnachten vor, wie sie alleine in einer Wohnung wohnt, denn: „Kein einziges Mal würde sie sich mehr beherrschen können, wenn ihre Mutter zu ihr ins Badezimmer kommen würde, wenn sie sich schminkte. Kein einziges Mal.“ Diese Wiederholung des Anfangs (Anapher) bestätigt nochmal die Aussage und den Entschluss, den sie eben gefasst hat. Die Kurzgeschichte endet damit, das sie zurück zu ihrer Mitter kommt und „die Nacht mit ihrer entsetzlichen Gelassenheit“ kaum ertragen kann, da sie innerlich alles andere als gelassen ist, sie ist unzufrieden mit der gesamten Situation. In diesem letzten Satz ist auch eine der Ausnahmen, bei der der Erzähler durch das gewählte Adjektiv nicht nur Elsas Haltung dazu darstellt, sondern dadurch auch eine Stimmung, die sich schon in der ganzen Kurzgeschichte gehalten hatte, ausspricht.

Interpretation

Diese Kurzgeschichte ist von der Thematik her zeitlos. Sie zeigt auf, was es für eine Differenz geben kann, zwischen dem, was nach außen hin passiert und dem, was innerlich für zerreißende Gefühle stattfinden können. Die Kurzgeschichte bietet keinen Lösungsvorschlag an. Sie zeigt das Problem auf, ein Problem, was viele Menschen nachempfinden können. Aber sie lässt den Leser letztlich mit dieser unbefriedigenden Situation allein, so wie auch Elsa und ihre Mutter auf deren unterschiedliche Art und Weise am Ende allein sind.


Fragen und Antworten

Wo finde ich den Originaltext der Kurzgeschichte?

PDF herunterladen. Falls du ein Word-Dokument brauchst, dies gibt es auch.

Zu welcher Epoche gehört die Kurzgeschichte?

Zur Gegenwartsliteratur, genauer gesagt zur Literatur der Postmoderne.

Wer war Walter Helmut Fritz?

Er war ein deutscher Autor und schrieb Gedichte, Romane und Essays. Über ihn gibt es ein Buch* und einen Wikipedia-Artikel.

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Weitere Texte zur Kurzgeschichte

  • Bei Schulzeux wurde eine sehr ausführliche Zusammenfassung und Interpretation eingestellt.
  • Im Prüfungs-Ratgeber findest du eine Interpretation und Analyse, welche auch eine eigene Meinung enthält.
  • Auf der Webseite von heini99 gibt es eine gute Inhaltsangabe (PDF). Es handelt sich um eine Musterlösung aus dem Unterricht.
  • Bei e Hausaufgaben findet sich auch eine Interpretation. Dort ist zudem etwas über die Biographie von Hr. Fritz geschrieben.
  • Auf der Lerntippsammlung gibt es eine kurze Textbeschreibung.
  • In der Lyrik-Datenbank findest du eine Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation. Der Text wurde mit 12 Punkten bewertet.
  • Und auch bei GRIN findet sich eine Interpretation. Diese finden viele LeserInnen aber schlecht (siehe Kommentare).

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