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Fernreisen Indien

Touristen auf der Suche nach Erleuchtung

Ladakh, Indiens buddhistischer Norden, reicht hinauf bis auf 3500 Meter. Hier trifft man Mönche, die zum Innehalten blasen, und ein Orakel, das sich Sorgen um Berlins Großflughafen macht.

So kann das ja nichts werden mit der Erleuchtung. Während sie sich noch die steile Klostertreppe hinaufkämpfen, erschallt bereits ein dumpfes Tröten. Notgedrungen muss die Touristengruppe auf den schiefen Stufen anhalten, das innere und äußere Gleichgewicht suchen – statt sich darüber zu ärgern, dass man nicht fünf Minuten früher aufgestanden ist.

So verpassen sie den Beginn eines rituellen Schauspiels, das allerdings nicht zu überhören ist, denn die Töne gehen durch Mark und Bein. Zwei junge Mönche erzeugen sie. Sie stehen am Rand des Klosterdaches, während der kalte Wind von den eisbedeckten Gipfeln des Himalajas an ihren roten Roben zerrt. Beide pusten aus Leibeskräften in Muscheltrompeten, aus deren unterem Ende ein tiefer Klang über das weite Tal des Flusses Indus tönt. Ein Weckruf nicht nur für die Mönche des Klosters Thiksey, sondern für das ganze alte buddhistische Königreich Ladakh im Norden Indiens, im alltäglichen Trott innezuhalten und den Weg zur Erleuchtung zu suchen.

Schwierige Gemengelage

Das so friedlich wirkende Ladakh ist Teil der indischen Unruheprovinz Kaschmir, im Osten grenzt es an das von China besetzte Tibet, im Nordwesten sitzt der Erzfeind Pakistan. Dem Tourismus tut die schwierige Gemengelage indes keinen Abbruch. Täglich kommen Besucher aus dem Westen ins Kloster Thiksey. Sie sollten pünktliche Frühaufsteher sein: Um fünf Uhr beginn die Meditation „Puja“ in einem der schönsten Klöster Ladakhs. Majestätisch thront es auf einem Bergrücken im Industal, eine Brücke, über und über mit bunten Gebetsfahnen geschmückt, führt zu dem kleinen Dorf am Fuße des Klosterbergs. Wer den Berg und die zwölf Stockwerke des Klosters erklommen hat, dem bietet sich ein atemberaubender Blick über das Tal, umrahmt von schroffen Gebirgszügen.

Quelle: Infografik Die Welt

Es ist aber nicht nur der Blick, der den Besuchern den Atem raubt, es ist auch die dünne Luft in 3500 Meter Höhe. Am Flughafen der Hauptstadt Leh warnt ein Schild Ankömmlinge vor der Höhenkrankheit, vor Atemnot, Schwindel und Kopfschmerzen. Der Sauerstoffgehalt in der Luft ist hier oben nur halb so hoch wie auf Meeresspiegel-Niveau.

Kurze Sommer

Ladakh, das „Land der hohen Pässe“, wird auch Klein-Tibet genannt. In den wenigen grünen Flussoasen leben die Menschen in Häusern aus getrocknetem Lehm wie vor Hunderten von Jahren. Es ist ein einfaches, hartes Leben, der Sommer ist kurz, der Winter lang, dafür sind der Himmel und die Götter ganz nah. In den Dörfern drehen sich mannshohe Gebetsmühlen, von den Dächern flattern die Gebetsfahnen. Je verschlissener sie sind, desto besser, dann hat der Wind die Gebete und guten Wünsche hinauf zu den Göttern getragen.

Im Kloster Thiksey können Touristen jeden Morgen den Mönchen bei der Meditation zusehen – und mitmachen. Am Fuße ihres Klosterberges haben die Brüder ein Hostel errichtet. Die Gebetshalle ist voll. 30 Rupien nehmen die Mönche pro Nase, das sind noch nicht einmal 50 Cent. Aber nicht jeder Besucher hat durch die Zahlung ein gutes Karma – an diesem Morgen etwa haben es sich einige französische Touristen im Schneidersitz auf den Kissen bequem gemacht, die für die Klosterbrüder bestimmt sind. Kurz vor Beginn der Andacht werden sie von Wächtern aufgescheucht und auf den Boden an der Wand verbannt. Mönche im Teenageralter lümmeln sich auf den hinteren Bänken, gähnend und schwatzend, bis sie in den monotonen Gesang des Vorbeters einfallen. Einige sind noch jünger, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Sie müssen von den Älteren ermahnt werden, als sie sich anschicken, die Dauerwellen der französischen Touristinnen mit jenen Krummstäben zu untersuchen, die eigentlich zum Schlagen der großen Wandtrommeln gedacht sind.

Es wird geschlürft und geschmatzt

Während der Gebete wird gefrühstückt: Junge Mönche schleppen große Kannen und Kübel durch die Halle, schütten heißes Wasser in die Schalen und löffeln ein undefinierbares Pulver in sich hinein. Den Mönchen schmeckt es, überall wird geschlürft und geschmatzt.

Nach der Morgenandacht lädt der Amchi, der Klosterarzt, zur Sprechstunde. Der alte Mönch fühlt sanft den Puls seiner Patienten aus London, Paris oder Berlin. Sorgenvoll schüttelt er dann den Kopf und stellt seine Diagnosen: Blähungen, schlechter Schlaf oder schlicht: „Du denkst zu viel.“ Gut, dass der Amchi auch die richtige Medizin hat. Aus einem der Gläser auf seinem Tisch zählt er kieselharte Kräuterpillen ab, die vor dem Schlafengehen gekaut werden sollen.

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Sie liegen in schwindelerregender Höhe oder mitten im Meer, verdienen oft den Namen „Straße“ nicht und fordern immer neue Opfer. Wenn Sie an Ihrem Leben hängen, sollten Sie diese Straßen meiden.

Quelle: Die Welt

Nur von Mai bis Oktober sind die Passstraßen befahrbar. Im Winter kann das Land nur per Flugzeug erreicht werden. Wer die Pässe nach Ladakh bezwingt, kann nur ein sehr guter Freund oder ein schlimmer Feind sein, sagen deshalb die Ladakhis. Ihr Land kann überhaupt erst seit 1974 von Touristen besucht werden. Hauptattraktion ist der neunstöckige Königspalast in Leh. Er sei Vorbild für den Potala-Palast des Dalai Lama in Lhasa gewesen, behaupten die Einheimischen. Oder war es umgekehrt? Das Antlitz des geistlichen Oberhaupts der Tibeter lächelt jedenfalls von geschmückten Fotos in jedem Kloster, sowohl in Likir, wo sein jüngerer Bruder Abt ist, als auch im Kloster Thiksey mit angeschlossenem Hostel.

Wie Villen auf Mykonos

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Wer lieber luxuriöser wohnt, kann statt im schlichten Hostel der Mönche in Bauernhäusern im Dorf Nimoo nächtigen – und sich von Butler, Koch, Fahrer und Guide umsorgen lassen. Es gibt Strom (der allerdings gern mal ausfällt) und fließendes Wasser (auch warm, wenn man das zwei Stunden vorher ordert). Die zweistöckigen Lehmhäuser sind schneeweiß gestrichen und von Aprikosenhainen umgeben, sie erinnern an Villen auf Mykonos, wäre da nicht der Blick auf die schneebedeckten Gipfel und den Indus, der nach Pakistan hinüberfließt.

Auf den Dächern trocknen Heu, Aprikosen, Brennholz und Kuhdung für den Winter. Umgeben sind diese Häuser von Pferchen mit Kühen und Maultieren – nur der Esel wurde ans andere Dorfende verbannt, für die Touristen war sein Geschrei zu laut. In der großen Küche, wo früher die Großfamilien ihren Gerstebrei aßen, verspeisen die Besucher aus dem Westen heute ihr Dreigängemenü. In den Wandregalen schimmern aufgereiht metallene Becher, Pfannen, Töpfe und Kannen; Stolz und Statussymbole der gut situierten ladakhischen Hausfrau.

Es ist noch nicht lange her, da war in Ladakh die Vielmännerei, Polyandrie, üblich. Eine junge Frau heiratete nicht nur den Hoferben, sondern seine Brüder dazu. Das hatte ganz praktische Gründe: Die Zahl der Nachkommen hielt sich in Grenzen, der Hof blieb in einer Familie, und es gab keine Erbstreitigkeiten. Diese Tradition gibt es nicht mehr. Stattdessen hält man sich jetzt durch Tourismus über Wasser. Die Bauernfamilien überlassen ihr Haus den Fremden und wohnen nebenan in einem komfortablen Neubau.

Gut gegen Geister

Es kann vorkommen, dass zur Frühstückszeit die Großmutter vorbeischaut, um vor dem Hausaltar zu beten. Anschließend schwenkt sie ein kleines Räucherfass durch die Gästezimmer – das hilft gegen böse Geister und gehört zum Service. Gut gegen Geister sind auch die rot gestrichenen Fensterrahmen, die Steinmauern am Dorfeingang, in die heilige Texte geritzt wurden, und das Umrunden der weißen, gelben oder blauen Stupa-Kuppeln (immer im Uhrzeigersinn!).

Der Dalai Lama live in Periscope

In Hessen wird der 80. Geburtstag vom Dalai Lama nachgefeiert, es ist die einzige Geburtstagsfeier in Europa. Jörg Eigendorf erklärt ihm, wie die Live-Streaming-App Periscope funktioniert.

Quelle: Die Welt

Am Hofe des Dalai Lama in Tibet wurde ein „Staatsorakel“ befragt, bevor wichtige Entscheidungen getroffen wurden. In den Dörfern Ladakhs geben ebenfalls Orakel Rat. Die Séance heute findet extra für die Touristen statt. Auf dem Herd dampft ein Kräutergebräu, während sich die Orakel-Frau mit Trommelgeklapper in Trance versetzt. Wer eine Frage hat, kniet vor ihr nieder, überreicht einen der Seidenschals, die zuvor von der Dolmetscherin verteilt worden sind, und stellt seine Fragen: Was wird aus den Kindern? Soll man den Job wechseln oder bleiben? Einer will wissen, wann der Berliner Großflughafen endlich eröffnet wird. Die vermummte Frau wirkt plötzlich sehr angespannt. Lang sind ihre Ausführungen, von Schütteln und Röcheln unterbrochen. Viele Hindernisse seien zu überwinden, teilt sie schließlich mit, aber das Vorhaben könne gelingen. Wann das sein wird, verrät sie jedoch auch auf mehrmalige Nachfrage nicht. Die tiefen Sorgenfalten auf ihrer Stirn lassen für die BER-Eröffnung indes nichts Gutes vermuten.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Windrose Finest Travel, Lufthansa, Banyan Tours, Oberoi-Hotels. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

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