Die ersten Gemeinschaftsgärten in Industrieländern gab es Anfang der 1970er Jahre in New York. In den ärmeren Stadtteilen, in denen es ein massives Problem mit Brachflächen gab, besetzten Bewohner Grundstücke und machten sie urbar. Seit Ende der 70er Jahre gibt es das Büro GreenThumb der Stadt New York, das die Bodennutzung über Pachtverträge legalisiert und Gärtner unterstützt. Die urbanen Gärtner waren fast ausschließlich Schwarze oder Hispanics, mit einem großen Anteil von Empfängern staatlicher Wohlfahrtsleistungen und Alleinerziehender. Die Gärten dienten ihnen als Aufwertung ihrer Nachbarschaft, Erholungsraum und zum Anbau von Lebensmitteln. Die amerikanischen Gemeinschaftsgärten sind reine Nutzgärten, anders als beispielsweise deutsche Kleingärten. Als Zwischennutzung angelegt waren die Gärten durch den wirtschaftlichen Aufschwung zu Beginn der 00er Jahre massiv bedroht (vgl. Grünsteidel 2000: 125-137). In der Wirtschaftskrise 10 Jahre später entstanden neue Räume für Gemeinschaftsgärten und bspw. in der ehemaligen Autostadt Detroit Ideen für urbane Landwirtschaft, die über Gärten weit hinausgehen.

Gemeinschaftsgärten auf einen Blick

„Gemeinschaftsgärten sind gemeinschaftlich und durch freiwilliges Engagement geschaffene und betriebene Gärten, Grünanlagen und Parks mit Ausrichtung auf eine allgemeine Öffentlichkeit.“ (Rosol 2006: 7)
„Soziale und politische Motivationen spielen […] eine große Rolle. So sind viele GärtnerInnen an Kontakten zu ihren NachbarInnen interessiert, wollen Prozesse gemeinschaftlich gestalten und selbst ihr Lebensumfeld mitbestimmen.” (Haidle/Rosol 2005 148- 149)

  • Nachbarschaftgärten
  • Umweltarbeit
  • Bildungsarbeit
  • Jugendarbeit
  • Gesundheitserziehung
  • interkulturelle Integration
  • Möglichkeiten zur sozialen Beteiligung
  • Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung
  • Förderung des sozialen Zusammenhalts
  • Förderung der Identifikation mit dem Quartier
  • hochwertige, kostensparende Flächennutzung
  • Lebensmittelproduktion
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Quellen, Links zu Gemeinschaftsgärten und urbaner Landwirtschaft

Gemeinschaftsgärten in Deutschland

Wie viele Gemeinschaftsgärten und -gärtner es in Deutschland gibt, ist nicht erhoben. In Deutschland haben sie unter dem Schlagwort „Urban Gardening” Karriere gemacht: Ihre Zahl ist in den letzten Jahren explodiert und geht mittlerweile in die Hunderte. Ein sehr umfangreiches Verzeichnis gibt es bei der Stiftung Anstiftung und Ertomis.

Rosol (2006: 7) definiert den Begriff Gemeinschaftsgarten wie folgt:

„Gemeinschaftsgärten sind gemeinschaftlich und durch freiwilliges Engagement geschaffene und betriebene Gärten, Grünanlagen und Parks mit Ausrichtung auf eine allgemeine Öffentlichkeit.”

Gemeinschaftsgärten in Berlin
Die Prinzessinengärten Berlin

Unterschieden werden Gärten, die sich eher durch einen räumlichen oder einen thematischen Zusammenhang gebildet haben. Nachbarschaftsgärten werden von Bewohnern aus der Umgebung ohne besondere Themenstellung bewirtschaftet. Thematische Gärten dagegen haben spezielle Ziele, meist aus dem Umwelt-, Bildungs- oder interkulturellen Bereich (vgl. Haidle/Rosol 2005: 146).

Rosol (2006: 217) hat in ihren Untersuchungen den Spaß als Hauptmotiv für das urbane Gärtnern für die Beteiligung an Gemeinschaftsgärten herausgearbeitet. Als weitere Schlüsselmotive beschreibt sie gärtnerische und soziale Gründe, raumbezogene Motive und eigene kleine Kinder.

„Soziale und politische Motivationen spielen […] eine große Rolle. So sind viele GärtnerInnen an Kontakten zu ihren NachbarInnen interessiert, wollen Prozesse gemeinschaftlich gestalten und selbst ihr Lebensumfeld mitbestimmen.“

(Haidle/Rosol 2005 148- 149) Für die Städte entstehen so Projekte, „die das Flächenangebot auf neuartige, oft unkomplizierte und kostensparende Art und Weise gestalten und benutzen.“ (BBR 2004: 5) Die Stadt sollte Gemeinschaftsgärten aufgrund der daraus folgenden Potenziale für eine Verbesserung des Grünflächenangebots und der Stadtentwicklung allgemein unterstützen (Rosol 2006: 293).

Iles (2005: 83-84) hebt vor allem die soziale Funktion der Gemeinschaftsgärten hervor. Sie fördern soziale Beteiligung und tragen zur Bildung lebendiger Gemeinschaften und Quartiere bei. Der Allgemeinheit stellen sie gemeinschaftlich gestaltete und gepflegte Grünflächen zur Verfügung. Dem Individuum geben sie Möglichkeiten zur Entfaltung und Entwicklung. Durch ihre Offenheit für Leute mit verschiedenen Hintergründen fördern sie die Integration und den Zusammenhalt. Die Möglichkeit sich in gemeinschaftlichen Aktivitäten zu engagieren, steigert die Identifikation mit dem Quartier und fördert die Beteiligung am öffentlichen und politischen Leben. Die Stadtplanung haben Haidle/Rosol (2005: 147) in verschiedenen Rollen vorgefunden: von einer initiierenden Funktion, über die Begleitung eines von Beteiligten organisierten Projekts bis hin zu bremsenden Funktionen oder der völligen Abwesenheit.

Interkulturelle Gärten

Eine Form von themenbezogenen Gemeinschaftsgärten sind die internationalen Gärten, in denen es besonders um die Arbeit mit Migranten geht. Die Idee der internationalen Gärten geht auf den Internationalen Garten Göttingen zurück. 1995 wurde dort aus einem Frauencafé eines Beratungszentrums für Flüchtlinge heraus die Idee geboren, gemeinsam Gärten zu bewirtschaften. 1996 wurde ein Grundstück gepachtet. Daraus entstand das Konzept eines niedrigschwelligen Angebots für Flüchtlinge und Zuwanderer. 1997 wurde ein zweiter Garten gepachtet (vgl. Müller 2002: 16).

„Die Internationalen Gärten unterscheiden sich von Begegnungszentren für MigrantInnen primär dadurch, dass die Menschen miteinander arbeiten, dass sie den Boden als gemeinsame Ausgangsbasis haben, auf dem sie lebensnotwendige Güter wie Obst, Gemüse, aber auch Freundschaften und Gemeinsamkeiten herstellen. In dem Sinn stiftenden Umfeld der Arbeit für die eigenen Bedürfnis ist die Begegnung der Menschen un- trennbar verbunden mit dem gemeinsamen Projekt der Gartenbewirtschaftung bzw. der Bewirtschaftung des transkulturellen sozialen Raumes Internationale Gärten.” (Müller 2002: 19)

 

 

Überarbeiteter Auszug aus: Philipp Stierand (2008): Stadt und Lebensmittel. Die Bedeutung des städtischen Ernährungssystems für die Stadtentwicklung. Dissertation Detaillierter Quellennachweis im Literaturverzeichnis dort.