Aufgabenstellung
Definieren Sie die Begriffe Art und Population und diskutieren Sie, inwieweit es sich bei dem ungiftigen und dem Blausäure bildenden (giftigen) Weißklee in dem Material 1 abgebildeten Verbreitungsgebiet um eine oder zwei Arten handelt.
Lösung
Es gibt unterschiedliche Artkonzepte, welche die Artzugehörigkeit anderes definieren. Der Begriff Art heißt wissenschaftlich ausgedrückt Spezies, das auf lateinisch mit dem Wort Erscheinung übersetzt werden kann. Daraus ergibt sich das Artkonzept der Morphospezies. Demnach sind Lebewesen einer Gruppe mit den gleichen morphologischen Merkmalen, welche sich von anderen Gruppen unterscheiden, eine Art.
Ein weiteres Konzept ist die Chronospezies, Individuen werden hierbei zu einer Art gezählt, wenn sie in einem bestimmten Zeitabschnitt lebten/leben und in etwa gleiche morphologische Merkmale aufweisen.
Heutzutage ist das gängigste Konzept die Biospezies. Dieses Konzept ist noch umfassender und bezieht sich auf populationsbiologische Kriterien. Ausschlaggebend für die Zuordnung von Individuen einer Population zu einer Art ist die Fortpflanzungsfähigkeit, also ob sie unter natürlichen Bedingungen fortpflanzungsfähige Nachkommen erzeugen können.
Eine Population lebt im selben geografischen Gebiet (Habitat) und ist durch Entstehungsprozesse genetisch miteinander verbunden. Gemeinsam bilden die Organismen eine Fortpflanzungsgemeinschaft. Der Phänotyp und dementsprechend auch der Genotyp können sich bei den einzelnen Individuen einer Population unterscheiden. Der Genpool bezeichnet die Gesamtheit aller Genvarianten einer Population.
Populationen einer Art unterscheiden sich durch die genetische Diversität, was eine Variation ihrer Gene und somit ihrer Merkmale darstellt.
Dabei kann unterschieden werden: oft wird eine Population dadurch definiert, dass sie in einem geschlossenen Areal leben und somit von anderen Populationen separiert sind, bei einer artgleichen Population sind die Übergänge jedoch weicher (durch migrierte Individuen).
Bei dem Weißklee handelt es sich um weiß blühende Schmetterlingsblütler. Häufig wächst er auf Vertrittflächen. Es wird zwischen dem ungiftigen und dem giftigen, Blausäure bildendem Weißklee unterschieden. Beide Formen kommen, in ganz Europa und im vorderen Orient vor. Die Weißkleepflanzen kommen sowohl in giftigen als auch in der ungiftigen Form oft auch dicht nebeneinander vor.
Es wird aber in Martial 1 nicht erwähnt, ob sich beide untereinander fortpflanzen können, was die Einteilung in das Artbildungskonzept der Biospezies ausschlaggebend wäre.
Ich vermute, dass es kaum morphologische Unterschiede der beiden Weißkleepflanzen gibt, da es diesbezüglich keine Hinweise gab, im Gegenteil, die Forscher konnten erst durch eine chemische Analyse einen unterschied (durch die Blausäure) feststellen. Auf Grund dessen könnten sie dem morphologischen Artkonzept nach einer Art angehören.
Da sie auch im gleichen Zeitraum vorkommen, würden sie somit auch der Chronospezies eine Art darstellen.
Betrachtet man nun die gegebenen Umstände für eine Artbildung, so kann eine allopatrische Artbildung ausgeschlossen werden, da es keine räumliche Trennung gibt, da beide Formen auch am selben Ort vorkommen. Damit gibt es keine geographische Barriere die zu einer Isolation führt und somit für eine getrennte, eigen-ständige Entwicklung beider Populationen sorgen würde, sodass nach einem Zusammentreffen keine fortpflanzungsfähigen Nachkommen mehr entstehen könnten.
Unter dem Gesichtspunkt der sympatrischen Artbildung kann man jedoch schon von zwei Arten auszugehen. Bei der sympatrischen Artbildung kommt es zur Entstehung einer neuen Art im Gebiert der Ursprungsart, indem sie keinen fortpflanzungsfähigen Nachwuchs mehr erzeugen können. Für die Entstehung einer neuen Art ist dann die genetische Isolation entscheidend, welche durch eine zufällige Mutation (Rekombination oder Zunahme bestimmter Allele), Polyploidisierung und einen starken Selektionsdruck hervorgerufen werden kann. Durch eine Mutation könnte es zu einem Selektionsvorteil kommen, wie zum Beispiel einen besseren Schutz gegen Fressfeinde und somit einer erhöhten reproduktiven Fitness.
Beim Weißklee sind die cyanogen Pflanzen gegen die Schnecken als Fressfeinde geschützt und in der Population kommt es zu einer Veränderung der Allelfrequenz aufgrund des Selektionsdrucks.
Ebenfalls kann aber auch betrachtet werden, dass eine Mutation für eine bessere Anpassung an abiotische Umweltfaktoren sorgen, wie das Klima bzw. die Temperatur.
Aufgabenstellung
Ermitteln Sie anhand der vorliegenden Sachinformationen die hier wirksamen Selektionsfaktoren und erläutern Sie aus dieser Grundlage die Verbreitung der beiden Phänotypen des Weißklees gemäß Material 2 Gehen Sie auch auf den Selektionstyp ein.
Lösung
Bei dem Weißklee spielen sowohl abiotische als auch biotische Selektionsfaktoren eine Rolle. So hat der cyanogene Weißklee, der Blausäure bilden kann, einen (biotischen) Selektionsvorteil, da er sich durch sein Gift vor den Schnecken als Fressfeinde schützten kann, jedoch ist er auch anfälliger für einen parasitären Befall des Rostpilzes.
Bei einem starken Winter, also in kalten Regionen, stellt die Blausäure jedoch einen Nachteil dar, da die Zellen durch den Frost beschädigt werden können und die toxische Blausäure in die Mitochondrien gelangen kann, womit sich die Pflanze selbst vergiften würde.
Hier hat der ungiftige Weißklee einen abiotischen Selektionsvorteil. Zudem sind Schnecken wechselwarme Tiere, also ektoderm und haben keine konstante Körperkerntemperatur. Die Schnecken graben sich zwar über Winter in den Boden, können bei zu kalten Temperaturen aber nicht überwintern, was dazu führt, dass tiefe Wintertemperaturen Schneckenpopulationen stärker dezimieren. Der Weißklee kann den Winter jedoch durch seine Samen und seine langen Wurzeln sowie dicht über dem Boden stehenden Blätter überdauern. Die Schnecken üben in besonders kalten Regionen nur einen sehr kleinen Selektionsdruck aus, da sie in größer Anzahl eher in warmen Regionen vorkommen.
Durch die unterschiedliche Merkmalsausprägung ist es zu einer disruptiven Selektion gekommen. Im Material 2 kann man erkennen, dass in Regionen, die durch den Golfstrom einen milderen Winter haben anteilig mehr cyanogone Pflanzen wachsen als in kälteren Regionen.
Bei dem Großteil der Gebiete kommen beide Formen vor, jedoch ist ein klarer Trend erkennbar, der mit den Selektionsvorteilen der unterschiedlichen Merkmalsausprägung bei dem Phäno –bzw. Genotyp zusammenhängt.
Je wärmer die Januarisotherme, desto hoher ist der Anteil an den cyanogonen Pflanzen.
Aufgabenstellung
Erklären Sie die Ergebnisse des Materials 3 und erläutern Sie die evolutionsbiologische Bedeutung der Infektion für die Verbreitung des ungiftigen und des giftigen Weißklees.
Lösung
Im Material 3 gibt es eine grafische Darstellung der Ergebnisse eines Infektionsversuchs von Weißkleepflanzen mit einem Rostpilz. Die Grafik stammt von Ulrich Weber und ist beim Cornelsenverlag erscheinen. In Abbildung 3 sieht man die Rostpilzinfektion an zwei Weißkleevarietäten. Auf der x-Achse ist die Zeit in Wochen nach der Infektion und auf der y-Achse die Anzahl infizierter Pflanzen dargestellt. Es gibt insgesamt sieben Messpunkte in einem Zeitraum von 23 Wochen mit 40 Pflanzen der jeweiligen Form.
Bereits nach einer Woche sind 15 giftige Weißkleepflanzen infiziert, aber nicht eine der ungiftigen Form.
Bei der giftigen Form gibt es einen exponentiellen Anstieg an infizierten Pflanzen, der seinen Spitzenwert in der fünften Woche mit 30 infizierten Pflanzen (75% der giftigen Form) erreicht und danach allmählich wieder sinkt, bis es bei der 23 Woche die Null erreicht. Bei der ungiftigen Formbleibt es konstant bei keiner infizierten Pflanze, mit einer Ausnahme von einer Pflanze kurz vor der 13. Woche.
Es ist also zu erkennen, dass die giftige Form der Weißkleepflanzen ein deutlich höheres Risiko haben, einen Rostpilzbefall zu bekommen, da die ungiftige Form scheinbar beinahe immun dagegen ist.
Weißklee wird von einem Rostpilz parasitieret, dessen Wintersporen kälteresistent sind.
Ein Parasit lebt auf die Kosten seines Wirtes (wie in dem Falle des giftigen Weißklees) und ernährt sich von dessen organsicher Substanz, dadurch erfährt die Pflanze einen (selektiven) Nachteil durch das Räubertum. Es kommt zu einer antagonistischen Koevolution, also einem nachteiligen Zusammenleben.
Um die Belastung durch den Parasiten gering zu halten, zeigen sich immer wieder Anpassungserscheinungen, bei denen die erfolgreichsten Individuen die meisten Nachkommen haben können. Durch diesen Selektionsdruck wird die Veränderung der Phäno- bzw. Genotype stätig vorangetrieben. Zudem ist es eine Frage des somatischen Investments des Klees. Es ist vermutlich ein Abwägen zwischen den Risiken, schützt er sich mit der Blausäure vor Fressfeinden, gibt es ein hohes Risiko in kalten Winterregionen, also kommt diese Art am häufigsten in warmen Regionen vor, muss aber vermutlich viel Energie in die Produktion von Blausäure stecken, weshalb sie den Rostpilz nicht mehr abwehren kann und ihn in Kauf nehmen muss.